Bautzener Theatergeschichte

Die Stadt Bautzen kann auf eine über 600jährige Theatergeschichte zurückblicken. Die erste Erwähnung basiert allerdings auf einer Katastrophe. Am 5. Februar 1413 brach während einer Theatervorstellung der „Comoedie de Passione S. Dorotheae“ auf dem Bautzener Markt unter der Last der Zuschauer ein Ziegeldach zusammen und 30 Zuschauer wurden erschlagen. Dieses Unglück ist das früheste Zeugnis über Theater in Bautzen.

 

Im 18. Jahrhundert bildete sich in den Städten neues Bürgertum heraus. Auf Initiative des angesehenen Stadtrates Karl Wilhelm August Hering wurde für den Neubau eines Schauspielhauses eigens eine Aktiengesellschaft gegründet. Deren Mitglieder konnten 25 Aktien zu je 100 Talern erwerben. Den Aktionären ist für ihr Vorhaben eine im inneren Stadtgraben stehende alte Bastei überlassen worden. Am 16. November 1795 wurde die Erlaubnis zum Bau eines neuen „Komödienhauses“ erteilt. Die Baukosten stiegen auf 2.950 Taler und 29 statt 25 Aktien wechselten den Besitzer. Am 26. Oktober 1796 konnte das neue Bautzener Theater mit dem Ifflandschen Schauspiel „Dienstpflicht“ durch die Mitglieder der Meddoxschen Gesellschaft eröffnet werden. Sitzplätze im Parterre, 25 Logen in zwei Rängen und eine Galerie erwarteten die Besucher.

1862 gründete sich in Bautzen das sorbische Theater. Es trat im Gasthof „Zur goldenen Krone“ auf, später auch im Theater, welches 1865 nach langem Hin und Her doch noch von den Stadtvätern erworben wurde.

1905 erfolgten zahlreiche Reparatur- und Sanierungsarbeiten im und am Theatergebäude. An der Ostseite ließ der Bautzener Oberbürgermeister Konrad Johannes Kaubler den vom Pulsnitzer Bildhauer Ernst Rietschel entworfenen Figurengiebel „Die dramatische Dichtkunst“, der von Sempers abgebranntem Opernhaus (Vorgängerbau der heutigen Semperoper) stammte, am Stadttheater anbringen.

 

1948 folgte nach dem Zweiten Weltkrieg die Gründung des ersten sorbischen Berufstheaters Serbske Ludowe Dźiwadło. Das Sorbische Volkstheater besaß in Bautzen lediglich ein Verwaltungs- und Probengebäude, die Aufführungen fanden in  sorbischen Gemeinden in Gasthöfen statt.

1961 gründete sich ein zweisprachiges Marionettentheater als Sparte des Sorbischen Volkstheaters, hervorgegangen aus der privaten Puppenbühne der Familie Ritscher.

Am 2. August 1963 fand die feierliche Gründung des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters statt. Das Stadttheater Bautzen und das Sorbische Volkstheater fusionierten zum Deutsch-Sorbischen Volkstheater Bautzen, dem bis heute einzigen zweisprachigen Berufstheater Deutschlands.
In den Folgejahren wurde nach Auftreten diverser Baumängel und der Notwendigkeit einer technischen Sanierung ein Modernisierungs- und Vergrößerungskonzept ausgearbeitet, jedoch nie realisiert. Stattdessen wurde das Theatergebäude am Lauengraben am 30. Dezember 1969 gesprengt, um vollendete Tatsachen zu schaffen. Der Spielbetrieb wurde in der Interimsspielstätte im Saal des Hotels „Krone“ (Musiktheater und große Schauspielinszenierungen) sowie auf der Studiobühne (Schauspiel) aufrecht erhalten. Als „Erweiterungsbau“ des Verwaltungs- und Studiobühnengebäudes an der Seminarstraße deklariert, wurde ein neues Theatergebäude de facto als Schwarzbau durch Initiative verschiedener lokaler Kulturfunktionäre errichtet.

 

Im Herbst 1989 war das Deutsch-Sorbische Volkstheater eine Keimzelle der friedlichen Revolution, ein politischer Kraftquell und eine Nische des offenen Dialoges. Bereits am 8. Oktober 1989 trat das Schauspiel nach der Vorstellung „Amadeus“ geschlossen vor sein Publikum und formulierte unter der Überschrift „Wir treten aus unseren Rollen heraus ...“ seine Forderungen.

Das Bautzener Musiktheaterensemble und Ballett wurden 1992 aufgelöst. Bis 1999 wurde in Bautzen nach dem Stagione-Prinzip Musiktheater aufrecht erhalten.

Der erste Bautzener Theatersommer startete 1996 im Hof der Bautzener Ortenburg. Unter freiem Himmel wurden zehn Vorstellungen vom „Volksstück vom Johannes Karasek genannt der Schrecken der Oberlausitz“ im Juli 1996 mit großem Erfolg gezeigt.

Nach einem Beschluss des Kulturkonvents wurde 1999 die Bautzener Musiksparte endgültig geschlossen. Mit dem Musiktheater in Görlitz und dem Schauspiel in Zittau werden regelmäßig Inzenierungen ausgetauscht.

Am 25. September 2000 beschloss der Bautzener Kreistag den Bau eines Theaterneubaus im Hof der Bautzener Ortenburg an der Stelle des ehemaligen Kornhauses. Das Puppentheater, das bis zur Eröffnung im Kasernengelände in einer alten Reithalle, die später auch als Kinosaal diente, untergebracht war, sollte ein neues Zuhause erhalten. Ebenso das Sorbische Kinder- und Jugendtheater sowie die „kleine Form“. Am 12. September 2003 wurde das nagelneue Burgtheater/Dźiwadło na hrodźe mit den Figuren des Rietschelgiebels feierlich eröffnet.

 

Bis zum 31. Mai 2004 bestand unter erhöhten Sicherheitsauflagen noch eine befristete Spielerlaubnis, dann wurde das Haupthaus für den Besucherverkehr geschlossen. Danach begann eine grundlegende Sanierung des Haupthauses. Nach 20 Monaten wurde das große Haus mit einem Festakt und der anschließenden Premiere „Der Sturm“ von William Shakespeare am 17. Februar 2006 feierlich eröffnet. Es folgten umfassende Um- und Ausbauten am Magazin und der Sozietät bis 2012.

 

Intendanten: Eberhard Sprink (1963–1966), Jurij Wuješ (1966/67), Alfred Lübke (1967–1979), Bjarnat Nowak (1979–1983), Jörg Liljeberg (1984–1990), Cosima Stracke-Nawka (1990/91), Michael Grosse (1991–1996), Reinhard Hellmann (1996–1998).

Seit der Spielzeit 1998 ist Lutz Hillmann Intendant des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters Bautzen.

Das Ensemble besteht aus 22 SchauspielerInnen und 6 PuppenspielerInnen. Pro Spielzeit werden etwa 25 Neuinszenierungen in deutscher, ober- und niedersorbischer Sprache auf die Bühnen gebracht. Mit rund 1000 Veranstaltungen im Jahr, die von über 150.000 Zuschauern besucht werden, ist das Bautzener Theater einerseits als Theater mitten in der Stadt, andererseits im Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien und darüber hinaus intensiv vertreten.

Buch „Bautzener Theater Geschichten“

„Am 5. Februar 1413 gab der Rector Scholae wie alle Jahre am Sonntage vor Dorothea mit Consens des Domstifts und Raths mitten auf dem Markte eine Comoedie de Passione S. Dorotheae. Als das Spiel fast über die Hälfte war und der vorwitzige Pöbel in grosser Menge bey dem Seigerthurme (...) auf der Gewandladen Ziegeldach gestiegen war, so brach es mit den Leuten ein, und stürzte ein Stück Ziegelmauer herunter, dass über 30 Personen erschlagen wurden (...). Viele waren sehr beschädigt, vile bleiben an Händen und Füssen lahm.“

Bei intensiven Forschungen zur Geschichte des Theaters in Bautzen stieß Michael Lorenz, Schauspieler, Regisseur, Autor und Ehrenmitglied des Deutsch-Sorbischen Volkstheaters, auf diese Katastrophe. Durch sie ist urkundlich festgehalten, dass bereits vor 600 Jahren in Bautzen Theater gespielt wurde.

Dieser sensationelle Fund war der Anlass für Michael Lorenz, in langjährigen Studien der Geschichte des Theaterspiels in Bautzen nachzugehen. Er zeichnet sie vor dem Hintergrund der politischen Entwicklungen in den Epochen von Reformation und Gegenreformation, der Zeit des Adels und des bürgerlichen Aufbruchs, der Gründerzeit bis hin zu Aporien des 20. Jahrhunderts. Entstanden ist ein fundierter Beitrag zur Theater- und Regionalgeschichte im äußersten Südosten unseres Landes.

Der Verlag „Theater der Zeit“ ist Herausgeber dieses Buches BAUTZENER THEATER GESCHICHTEN von Michael Lorenz

Der Theaterförderverein engagiert sich ganz besonders für dieses Projekt. Der Band ist zum Sonderpreis für 15,00 Euro beim Theaterförderverein oder an der Theaterkasse auf der Seminarstraße in Bautzen käuflich zu erwerben.

Bestellungen/Kontaktinformationen:
Theaterkasse: 03591/584-225
Theaterförderverein
Heide-Simone Barth
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