Widerstand

Schauspiel von Lukas Rietzschel
90 min, keine Pause
Gegenwart. Land. „Neue Bundesländer“. Sachsen. Ostsachsen. — Viele sind weg, viele sind aber auch noch da. Manche kommen zurück. Zum Beispiel Isabell. Die Frage ist, ob die alten Beziehungen und Freundschaften noch da sind. Zwischen Isabell und ihren
Eltern, ihrem Schulkameraden, zwischen Isabell und der neuen Freundin des Vaters. Man begegnet sich auf der Straße, man grillt, abends sitzt man in der Garage zusammen beim Bier. Aber in dem, was geredet wird, verbirgt sich viel an Ungesagtem. Manches
wird auch gar nicht erst gesagt, sondern gleich verschwiegen.
Sprachlosigkeit wird greifbar und Verständnislosigkeit. Zwischen den Generationen und innerhalb der Generationen. Sehnsucht wird greifbar, Unsicherheit. Begründet liegt die Unsicherheit in den Figuren selbst, nicht so sehr in den Umständen (den realen und den
gefühlten). Auch wenn das den Figuren lieber wäre. Umso mehr stellen sich manche die Frage, ob die früheren Zeiten nicht doch bessere waren und wie man auf die neuen Zeiten reagieren sollte. Will man sich wieder alles gefallen lassen? Denn Widerstand, den hat man doch jetzt gelernt, heißt es in der Garage: „Da gibt es tausend Möglichkeiten. Heute sowieso.“
Der in Görlitz lebende Autor Lukas Rietzschel (geb. 1994) entwirft in großer Genauigkeit die Atmosphäre der Gegenwart. Sein Text schaut sehr genau hin und hört seinen Figuren sehr genau zu: Dem, was sie sagen, und dem, was in der Stille dazwischen liegt. Dem, was geschieht und dem, was daraus geschehen könnte.

Inszenierung

Regie: Jan Jochymski
Ausstattung:
Dramaturgie:
Premiere: 3. März 2023, großes Haus

Rollen

Vater, Frank:
Tochter, Isabell:
Nachbar, Steffen:
Peggy:
Sebastian:

Presse:

... Beeindruckend Ralph Hensel als eigensinniger, nostalgischer und wild entschlossener Frank. Berührend, wie er sich an Isabells Abi-Ball erinnert, als sie Jahrgangsbeste wurde und alle auf die stolzen Eltern schauten. Maja Adler als Tochter nähert sich der Figur tastend, spricht gefühlvoll mit ihrer Mutter, verzweifelt am Schweigen des Vaters, schreit ihre Ohnmacht heraus. Katja Reimann ist die temperamentvolle, zupackende Therapeutin, hungrig auf Leben und Liebe. Niklas Krajewski jongliert als Sebastian zirkusreif mit Paketen und hat schwer mit der Zurückweisung durch Isabell zu kämpfen, rastet aus. Erik Dolata als Polizist zeigt dessen Abstieg vom leutseligen Biedermann zum feigen Egoisten, der seine Freunde verrät. Das Publikum dankt mit langem Beifall für die mutige, anspruchsvolle Aufführung. Hinterher sieht man Zuschauer in kleinen Gruppen diskutieren. Besseres kann einem Theater nicht passieren.
Rainer Kasselt, Sächsische Zeitung

Die große Qualität des Textes ist es, dass hier nicht kämpferisch oder gar belehrend doziert wird. Im Gegenteil, hier lotet ein Autor die Grenzen der eigenen Toleranzfähigkeit aus. ... Der Text moralisiert nicht, er hat Witz und Verständnis und zeigt einfühlsam die Enttäuschungen vieler aus den letzten 30 Jahren. Er zeigt facettenreich das soziale Auseinanderdriften der Gesellschaft ...
Matthias Schmidt, nachtkritik

Ralph Hensel als Vater Frank verdient besondere Erwähnung, weil er die Facetten der Figur zwischen traditioneller Wertbindung und Anarchie gut trifft. ... In den eineinhalb Stunden aber steigt die Spannung stetig, allein schon durch die Frage, wie weit die beiden Garagenverschwörer gehen werden. Eine plausible Erklärungsvariante für die „Widerstand“ Rufe der Straße liefern Lukas Rietzschel und Bautzener Inszenierung allemal.
Michael Bartsch, Theater der Zeit

"Dazwischen sein ist nicht so einfach", hat Rietzschel mal gesagt. In diesem Stück, in dieser gelungenen, stimmungsvollen Inszenierung geht es auf. ....  Auch, dass die Inszenierung sehr einfühlsam die Enttäuschungen vieler aus den letzten 30 Jahren beschreibt, passt gut in die Region. Sie zeigt facettenreich das soziale Auseinanderdriften der Gesellschaft, zum Beispiel Stadt und Land oder Dienstleistungsprekariat und Beamte. Aber sie biedert sich dennoch nicht an.... Gerade in Ostsachsen gab es ja immer wieder auch hässliche Bilder vom Protest gegen, ja, alles Mögliche, muss man sagen, und da legt die Inszenierung dann den Finger in die Wunde und sagt, wenn Protest zu gewaltbereitem Widerstand wird: Es reicht! Ein sehr gelungener Balance-Akt, verdientermaßen war der Schlussapplaus groß.
Matthias Schmidt, MDR KULTUR-Theaterkritiker

Wer sollte sich das Stück anschauen?
Idealerweise ist das Stück für alle. Ich möchte den Großstädtern zeigen, wie die Leute auf dem Land über sie denken und andersherum. Das sehen wir aber auch bei den Unterschieden zwischen Bautzen oder Görlitz und den Dörfern drumherum. Es wird sich im Stück mit keiner Person gemein gemacht. Niemand kommt hier gut raus aus der Sache. Bei jeder Figur gibt es Sympathie- und Antipathiepunkte. Und es fühlt sich hoffentlich niemand in seiner Haltung, die er vorher hatte, bestätigt. Ich möchte, dass sich in der Meinung des Publikums durch Kunst etwas verändert, dass es Dinge hinterfragt. Wenn die Leute aus dem Stück rausgehen und darüber diskutieren, was sie gut finden und was sie nicht gut finden, ist es das Beste, was passieren kann.
Lukas Rietzschel im Interview mit der Sächsischen Zeitung


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